Götz Eisenberg

80 | Wie kommt die Moral in die Menschen?

„Man wird sich seinen eigenen gesunden Menschenverstand nicht dadurch beweisen können, dass man seinen Nachbarn einsperrt.“ (Fjodor Dostojewskij: Tagebuch eines Schriftstellers) Am heutigen Mittwoch hätte auf dem Wochenmarkt jeder Kunde mit Handschlag begrüßt werden können, so wenig war los. Auf dem doch recht großen Terrain verlor sich ein Dutzend Menschen. Die Händler standen in kleinen … Weiterlesen …

79 | Das große Vergessen

„Alle verblöden um die Wette.“ (Gustave Flaubert) Apokalyptische Bilder jeden Abend in den Nachrichtensendungen: Hitze, Brände, Überflutungen, Erdbeben, Hungerkatastrophen, Krieg und Zerstörung. Wir bekommen täglich eine derartige Dosis an Schreckensnachrichten verabreicht, dass wir die Fähigkeit zur Empörung und Revolte einbüßen. Wir stumpfen ab und drohen unsere Fähigkeit zur Empathie einzubüßen. Stefan Zweig hat dieses Phänomen … Weiterlesen …

78 | Die Furie des Verschwindens

„Die Literatur: ein Kolibri in der Maschinenhalle, flüchtig, schön und ohne Zweck. Und doch entzündet sich die Sehnsucht daran, es möge mehr als nur Maschinenhallen geben.“ (Ralf Rothmann: Theorie des Regens) Von den beiden Gesetzentwürfen zur Neuregelung der Sterbehilfe, die heute (6. Juli 2023) im Bundestag zur Abstimmung standen, fand keiner eine Mehrheit. Auch drei … Weiterlesen …

77 | Demokratie als Lebensform

„Hier merkt man es nicht so – diesen Satz hatte der Graf vor einiger Zeit während eines Spaziergangs durch den Park wie einen Seufzer ausgestoßen. Seitdem zitierten wir ihn, wann immer wir eine halbwegs unverdorbene Oase entdeckten. Da merkt man es nicht so. Was das war, das man nicht so merkte, bedurfte keiner Erklärung, auch … Weiterlesen …

76 | Nachmittag mit Graureiher

„Mein Körper ist siech. Und ich kann seinen Verfall nicht mehr aufhalten. Wie ein Tier, das den Tod nahen fühlt, spüre ich, wie der meine sich in meinem Leben einnistet, mit solcher Macht, dass ich nicht dagegen anzugehen vermag.“ (Frida Kahlo) Auf dem Kirchenplatz findet heute Morgen an Fronleichnam ein Freiluftgottesdienst statt. Er ist erstaunlich … Weiterlesen …

75 | Die Geburt des Sozialismus aus dem Geist des Ressentiments

„Twitter ist wie Menschen, nur noch mehr. Twitter nach Einbruch der Dunkelheit sind verlassene Kinder, die um Aufmerksamkeit buhlen. Twitter ist das Es, wenn es tippen könnte.“ (A. L. Kennedy) Jetzt bekommt meine Oberkieferprothese tatsächlich eine Gaumenplatte. Ohne sie würde die Konstruktion nicht halten. Sie ist durch das eingebaute Metall derart schwer, dass sie einfach … Weiterlesen …

74 | Zur Dialektik der Einsamkeit

„In der Pariser Kommune haben die Kommunarden, bevor sie anfingen auf Menschen zu schießen, die Uhren beschossen, alle Uhren in Paris und sie kaputtgemacht. Und das taten sie, um die Zeit der Anderen, die Zeit der Herrschenden zu beenden und ihre eigene Zeit anbrechen zu lassen. Blicke ich jetzt in die Runde, dann sehe ich … Weiterlesen …

73 | Das Rätsel der „freiwilligen Knechtschaft“

„Unglücke geschahen keine, das Leben war das Unglück, es floss dahin und kannte nur eine Richtung, hin zur allmählichen Zermürbung.“ (Lukas Bärfuss: Die Krume Brot) Am Freitag war ich zu einem clandestinen Treffen im „Fluchthafenkaffe“ eingeladen. Mein Freund Jürgen holte mich mit seinem klapprigen Volkswagen ab. Da es regnete und auch nicht besser zu werden … Weiterlesen …

72 | Machnos Erben

„Wir werden die Diener dieser Megamaschine. Die Produktion steht nicht mehr in unserem Dienst, sondern wir stehen im Dienst der Produktion. Und aufgrund der gleichzeitigen Professionalisierung aller möglichen Dienstleistungen werden wir unfähig, für uns selbst zu sorgen, unsere Bedürfnisse selbst zu bestimmen und sie selbst zu befriedigen. Wir werden von Experten bevormundet und entmündigt.“ (André … Weiterlesen …

71 | Die Schlange, der Riss und der Tod

„Dummheit ist von allen nachwachsenden Energien die zuverlässigste.“                                                  (Sten Nadolny) Auf dem Alten Friedhof saß ein junger Mann auf einer Bank und fütterte die Eichhörnchen, „meine“ Eichhörnchen. Sie wuselten in größerer Zahl um ihn herum und schienen vertraut mit ihm. Bei mir stellten sich umgehend  Eifersuchtsgefühle ein. Als er sah, dass auch ich Nüsse mit … Weiterlesen …