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74 | Zur Dialektik der Einsamkeit

„In der Pariser Kommune haben die Kommunarden, bevor sie anfingen auf Menschen zu schießen, die Uhren beschossen, alle Uhren in Paris und sie kaputtgemacht. Und das taten sie, um die Zeit der Anderen, die Zeit der Herrschenden zu beenden und ihre eigene Zeit anbrechen zu lassen. Blicke ich jetzt in die Runde, dann sehe ich … Weiterlesen …

73 | Das Rätsel der „freiwilligen Knechtschaft“

„Unglücke geschahen keine, das Leben war das Unglück, es floss dahin und kannte nur eine Richtung, hin zur allmählichen Zermürbung.“ (Lukas Bärfuss: Die Krume Brot) Am Freitag war ich zu einem clandestinen Treffen im „Fluchthafenkaffe“ eingeladen. Mein Freund Jürgen holte mich mit seinem klapprigen Volkswagen ab. Da es regnete und auch nicht besser zu werden … Weiterlesen …

72 | Machnos Erben

„Wir werden die Diener dieser Megamaschine. Die Produktion steht nicht mehr in unserem Dienst, sondern wir stehen im Dienst der Produktion. Und aufgrund der gleichzeitigen Professionalisierung aller möglichen Dienstleistungen werden wir unfähig, für uns selbst zu sorgen, unsere Bedürfnisse selbst zu bestimmen und sie selbst zu befriedigen. Wir werden von Experten bevormundet und entmündigt.“ (André … Weiterlesen …

71 | Die Schlange, der Riss und der Tod

„Dummheit ist von allen nachwachsenden Energien die zuverlässigste.“                                                  (Sten Nadolny) Auf dem Alten Friedhof saß ein junger Mann auf einer Bank und fütterte die Eichhörnchen, „meine“ Eichhörnchen. Sie wuselten in größerer Zahl um ihn herum und schienen vertraut mit ihm. Bei mir stellten sich umgehend  Eifersuchtsgefühle ein. Als er sah, dass auch ich Nüsse mit … Weiterlesen …

70 | Statistiken bluten nicht

»Der Mensch wird – in dieser Gesellschaft – überflüssig, vorher schwinden seine Fähigkeiten.« (Max Horkheimer) Gestern fand an der Ausgrabungsstätte der Alten Synagoge eine Art Führung statt, die vom Stadtarchäologen durchgeführt wurde. Am Sonntagvormittag versammelten sich circa 100 Gießener Bürger rund um die Grube, in der die Grundmauern des 1938 niedergebrannten jüdischen Gotteshauses freigelegt worden … Weiterlesen …

69 | Das braune Raunen

„In jedem Faschismus steckt die Erlaubnis, inneres Leid mit äußerlich zugefügtem zu verwechseln und sich für dieses mit Gewalt zu entschädigen.“ (Wilhelm Genazino) Gießen ist eine einzige Baustelle. Alles ist ständig verstopft, der Autoverkehr kommt zum Erliegen, aber die Leute ziehen keine Konsequenzen daraus. Sie stürzen sich jeden Tag aufs Neue wie die Lemminge über … Weiterlesen …

68 | Schliemann’sche Funde oder: »The road not taken.«

»Ich fand einen Begriff für jenes Gefühl, das mich seit dem Tod des Bruders gefangen hielt, Einsamkeit. Ich erkannte darin die Krankheit meiner Zeit, die Ursache des Unglücks, das jeder, der ein offenes Herz hatte, empfinden musste. Am Ende war jeder allein, das spürte ich, und ein Ende gab es alle Tage.« Lukas Bärfuss Am … Weiterlesen …

67 | Normalungetüme

»Wir fürchten alle, unser Leben verpfuscht zu haben.« (Eugène Ionesco) Bin heute am späten Vormittag mit meinem Freund A zum Alten Friedhof gegangen. Wir staunten wieder einmal über die vielen schief gewachsenen Bäume, die es hier zu sehen gibt. Was hat sie diese bizarren Formen annehmen lassen? Löcher und Höhlen bieten verschiedenen Bewohnern Unterschlupf und … Weiterlesen …

66 | Tünche über dem Abgrund

»Die Zerstörung ist die Kreativität der Hoffnungslosen und Verkrüppelten, sie ist die Rache, die das ungelebte Leben an sich selbst nimmt.« (Erich Fromm) Hambacher Forst, Dannenröder Forst, das Dorf Lützerath markieren Stationen einer großen Niederlage. Wann wurde zuletzt ein Kampf gewonnen? Ich meine von den Kräften des Widerstands und des Lebens, gegen die Vernichtung der … Weiterlesen …

65 | Der erste »Reichsbürger«

»Über das Tagebuch. Es trifft doch immer nur eine gewisse Schicht von Vorfällen, die sich in der geistigen und physischen Sphäre vollziehen. Was uns im Innersten beschäftigt, entzieht sich der Mitteilung, ja fast der eigenen Wahrnehmung.« Ernst Jünger Neulich fand ich einen Benachrichtigungsschein der Post im Briefkasten. Man habe mich nicht angetroffen, und ich könne … Weiterlesen …