117 | „Disziplinierte Wut“

„Ein Mensch, dem der Lebenssinn abhandenkommt, wird Selbstmord begehen. Eine menschliche Einrichtung, sei es eine Familie oder sei es ein Staat, die nur noch – und sei es bestens – funktioniert, aber die nichts darüber hinaus verbindet, die von keiner gemeinsamen Idee oder Vision oder ideellem Interesse getragen und verbunden ist, ist tot und wird verfallen.“

(Christoph Hein)

Am 10. Jahrestag des Absturzes einer Germanwings-Maschine in den französischen Alpen, bei dem 150 Menschen ums Leben kamen, kam am Abend des 24. März in den Nachrichten die Meldung, dass die Zahl der Fehltage wegen Depressionen im Jahr 2024 um 50 Prozent gestiegen ist. Bei solchen Meldungen geht es natürlich weniger um das menschliche Leid, das in den dürren Zahlen fast verschwindet, sondern um den wirtschaftlichen Schaden, der durch die Zahl der Fehltage entsteht. Der Zusammenhang mit dem Absturz der Germanwings-Maschine wird den wenigsten Zuschauern präsent gewesen sein. Der Pilot, der eigentlich der Co-Pilot gewesen war, hatte damals den Absturz absichtsvoll herbeigeführt, weil er sich das Leben nehmen wollte, also suizidal war. Diese Suizidabsicht hat man im Nachhinein mit einer depressiven Erkrankung in Zusammenhang gebracht, deretwegen der Mann seit Längerem in Behandlung war. Weil ich damals noch als Amok-Experte galt und die Tat etwas Amokartiges aufwies, hatte man mich um einen Kommentar gebeten. Zum Wesen der Aggression gehört es, dass sie eine verschiebbare Energie ist. Sie kann sich gegen uns selbst, wir können sie gegen uns selbst richten; dann nimmt sie die Gestalt der Selbstbestrafung und –bezichtigung an, die man Depression nennt. Ihre Extremform ist der Suizid. Aggression kann sich gegen Objekte, Mitmenschen, Leute wenden – der klassische Fall von Destruktion: Homizid, Mord. Mord und Selbstmord sind häufig austauschbar, jedenfalls auf dem Niveau des zerstörerischen Willens. Tendenzen zum Suizid oder zum Mord sind nur auf dem Papier zu trennen. In der psychischen Realität gehen sie Mischungen ein, sind sie häufig wie zu einem Zopf verflochten. Für einen Moment ist in der Schwebe, wohin die gestaute Wut sich wenden wird. Im Falle des erweiterten Suizids, den man Amok nennt, geht sie in beide Richtungen: Ein Mensch, der zuvor einen oft langwierigen sozialen Tod gestorben und aus der Welt gefallen ist, ist bestrebt, möglichst viele Fremde in den eigenen Untergang mit hineinzureißen. Das ist dem Piloten damals gelungen, als er die Maschine gegen eine Felswand steuerte und zerschellen ließ. Meine beiden Kommentare aus dem Jahr 2015 findet man hier: https://www.magazin-auswege.de/data/2015/04/Eisenberg_Alles_mitreissen_in_den_Untergang.pdf Wenig später habe ich noch eine Art Nachbetrachtung verfasst: https://www.nachdenkseiten.de/?p=26421

Nochmal zurück zu den Fehltagen wegen psychischer Erkrankungen, bei denen Depressionen den Löwenanteil ausmachen. Waren es 2023 noch 122 Tage pro hundert Beschäftigten, stieg diese Zahl im Jahr 2024 auf 183. Damit waren Depressionen die häufigste psychische Ursache für Krankschreibungen, gefolgt von Belastungsreaktionen und sogenannten Anpassungsstörungen. Besonders betroffen sind Erzieherinnen und Pflegekräfte, was mich nicht wundert. Unter den Belastungen, die die in diesen Berufsfeldern Tätigen ertragen müssen, kann man schon mal zusammenbrechen. Es ist eher erstaunlich, dass so viele nicht krank werden, sondern es lange ertragen. Ein im Hintergrund mitlaufendes Problem scheint mir zu sein, dass Belastungen umso schwerer zu ertragen sind, je weniger man deren Sinn erkennen kann und je schlechter si bezahlt werden. „Depressiv wird“, heißt es lakonisch beim jungen Pater Sloterdijk, „wer Gewichte trägt, ohne zu wissen wozu.“ Sloterdijk verwahrte sich im Übrigen dagegen, die existentielle Erfahrung der Schwere der Welt als psychiatrisches, statt als philosophisches Thema zu behandeln. Die Depression habe eine schlechte Presse, weil sie quer liege zum pausbäckigen und sinnfreien Aktivismus der kapitalistischen Moderne. Der Kapitalismus produziert sinnlos vor sich hin und wer dieser Sinnlosigkeit inne wird, wird für depressiv oder verrückt erklärt. Dabei ist das Ganze wahnsinnig. Wie sagt Kapitän Ahab bei Melville: „Alle meine Mittel sind vernünftig, nur mein Ziel ist wahnsinnig.“

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Gestern traf ich vor der Bäckerei einen alten Bekannten. Er blieb sinnend vor mir stehen und ich konnte sehen, dass er sich fragte, woher er mich kannte und wer ich wohl sei. Nach einer Weile fiel der Groschen, wie man so sagt. Er sehe in letzter Zeit extrem schlecht und habe Mühe, Menschen zu erkennen, brachte er als Erklärung vor. Außerdem sei er letzte Woche mit dem Rad schwer gestürzt. Jemand hatte direkt vor ihm die Autotür aufgerissen und ihn zu Fall gebracht. Die Spuren des Sturzes waren im Gesicht und an den Händen noch sichtbar. Ich begleitete ihn zu seinem Rad, das er in einer Seitenstraße der Fußgängerzone abgestellt hatte und schon wieder benutzte. Ich kenne ihn, seit er mir Anfang der 1980er Jahre mein Sprunggelenk eingegipst hatte, das ich mir kompliziert gebrochen hatte. Jeder Gießener, der in den letzten Jahrzehnten in der Uni-Klinik mal einen Gips verpasst bekommen hat, ist durch seine Hände gegangen. Wegen seines Könnens, seiner guten Laune und seines Humors war er allseits geschätzt. Er war außerdem ein Freund und Kollege meines alten Freundes Birger, bei dessen rauschenden Festen wir uns im Laufe der Jahre immer mal wieder begegneten. Ich wünsche ihm, dass er sich wieder erholt.

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Roger Hodgson war die Stimme der britischen Band Supertramp und hat ihren Sound entscheidend geprägt. Am 21. März 2025 wurde der Sänger 75 Jahre alt. Ihm zu Ehren höre ich seit einer Stunde alte Songs von Supertramp. Ich habe sie in einer bestimmten Phase meines Lebens gern und häufig gehört und sie gefallen mir immer noch. War eine gute Gelegenheit, sie mal wieder aufzulegen. Bestimmte Songs gehören zu bestimmten Phasen unseres Lebens, und so steigen beim Hören alter Songs auch versunkene Erinnerungen aus den Tiefen unseres Inneren auf. In diesem Fall sind es angenehme.

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Im Drogeriemarkt stehen neben mir drei junge Leute. Ich vermute, es handelt sich im Studenten. Früher hätte ich das wegen ihres restringierten Codes ausgeschlossen, aber da haben sich im Zuge der Ausbreitung der sogenannten sozialen Medien dramatische Verschiebungen und Angleichungen abgespielt. Auch Dieter Bohlen hat an der Ausbreitung dieser verstümmelten Restsprache einen Anteil. Alle sprechen oder stammeln inzwischen in diesem Deutsch und stoßen solche stakkatoartigen, unvollständigen Sätzen aus. Eine junge Frau deutet auf ein Kosmetikprodukt und sagt: „Das ist echt geil.“ „Ja, saugeil“, bestätigt die zweite. „Ja, das Zeug ist megageil“, ergänzt der männliche Teil des Trios. Ich wende mich ab, weil dieser „Diskurs“ mich schmerzt. An der Kasse höre ich wenig später, wie eine der Frauen mit Blick auf ihr Handy sagt: „Wir müssen jetzt Vorlesung.“ Da ist mir das Geschwätz der ehemaligen Arbeiter vor dem Stehcafé in der Fußgängerzone fast lieber. „Hast du nix zu schaffe, du Faulenzer“, ruft da einer einem anderen hinterher, der müßiggängerisch durch die Fußgängerzone schlendert. Man muss immer so tun, als wäre man beschäftigt und unterwegs zum nächsten Termin. Das Ressentiment des Beschädigten fordert: Gleiches Unrecht für alle! Jedenfalls ist von der kathartischen Wirkung, die man der Sprache früher einmal zugeschrieben hat, kaum etwas geblieben. Wenn man bedenkt, dass Abstraktions-, Symbolisierungs- und Sublimierungsfähigkeit Vorbedingungen eines jeden gesellschaftlichen Zusammenlebens, ja wahrscheinlich des Menschlichen selbst sind, kann einem blümerant werden. Das reduzierte Gestammel, auf das heutige Kinder festgelegt und geeicht werden, erlaubt weder neue Bedürfnispositionen noch komplexe gesellschaftliche Vermittlungen zu formulieren. Das Denken, sofern davon in einem emphatischen Sinn überhaupt gesprochen werden kann, wird auf das Unmittelbare eingeschränkt und vermag nur noch, das Vorhandene zu verdoppeln. Transzendente Perspektiven sind von vornherein ausgeschlossen. Der Konjunktiv, die sprachliche Form, das Noch-nicht-Gewordene, aber Mögliche auszudrücken, stirbt aus. Alles wird im Sinne Marcuses eindimensional und alternativlos. Wofür es keine Sprache gibt, das kann auch nicht gedacht werden.

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Unser Pfadfinderstamm verfügte über eine alte Jagdhütte im Kaufunger Wald, östlich von Kassel, Richtung Zonengrenze gelegen. Wir fuhren in den Oster- oder Herbstferien von Kassel aus mit der Eisenbahn, die gemächlich über die Dörfer zockelte, und stiegen in Großalmerode aus. Unweit von hier hatte 1913 das Treffen auf den Hohen Meißner stattgefunden, ein für die deutsche Jugendbewegung und den Wandervogel wichtiges Ereignis. Über die Nähe meines Vaters zum Wandervogel habe ich unter der Überschrift „Wandervögel am Edersee“ im Jahr 2020 berichtet. Von Großalmerode aus hatten wir noch einen längeren Fußweg zurückzulegen, der in seinem Schlussteil recht beschwerlich war. Die Hütte lag in einem Tal mitten im Wald. Zum Eingang gelangte man über eine hölzerne Treppe. Die Tür war nie abgeschlossen, um zu verhindern, dass Leute, die eindringen wollten, größeren Schaden anrichteten. Im Erdgeschoss befanden sich die Küche und das Esszimmer. Vor dort aus stieg man eine Treppe hinauf, um zum Schlafsaal zu gelangen. Dort standen eng beieinander Stockbetten, auf denen muffig riechende, klamme Decken und Kopfkissen lagen. Fast jeder von uns hatte seinen eigenen Schlafsack mitgebracht, den man zum Zeichen der Inbesitznahme rasch auf einem der Betten ausbreitete. Wer einen Schlafsack hatte, sparte sich das Bettlaken. Die oberen Betten waren heiß begehrt und hart umkämpft. Ältere Stammesmitglieder und Sippenführer verfügten über Plätze, die für sie reserviert waren und die ihnen niemand streitig machen durfte. Man packte seinen „Affen“ aus, wie die meist aus militärischen Beständen stammenden Tornister genannt wurden, und richtete sein Bett her. Dann trafen wir uns unten, um den weiteren Tagesablauf zu besprechen. Vor allem musste Holz aus dem Wald geholt werden und Wasser von einer nahegelegenen Quelle. In der kühleren Jahreszeit wurde ein großer Kachelofen angeheizt, dessen Wärme fürs ganze Haus reichen musste. Fließendes Wasser und Strom gab es nicht. Als Lichtquelle dienten Kerzen, und im ganzen Haus stieß man auf die Spuren von zu Boden und auf die Tische getropftem Wachs. Dann musste noch geklärt werden, was es zu Essen geben sollte und was dafür eingekauft werden musste. Der Stammesführer, der deutlich älter war als die meisten von uns und bereits in Göttingen studierte, besaß ein Auto, mit dem er die größeren Einkäufe herankarrte. Zu Essen gab es einfach herzustellende Gerichte, wie Pellkartoffeln mit Quark oder Eintöpfe mit Würstchen drin, zum Frühstück grobe Haferflocken mit Milch und braunem Zucker. Es herrschten noch deutlich spürbare Anklänge an militärischen Drill. Es wurde gemeinsamer Frühsport betrieben und rund um den Fahnenmast angetreten. Dabei wurden fragwürdige und historisch diskreditierte Lieder gesungen. In den späten 1960er Jahren wurde all das in Frage gestellt und viele kehrten den Pfadfindern den Rücken. Die Hütte im Kaufunger Wald und die Zeit, die wir dort verbrachten, ist mir dennoch in überwiegend angenehmer Erinnerung geblieben. Den Geruch von kaltem Rauch, der in den Räumen hing, habe ich noch heute in der Nase. Von meiner Zeit bei den Christlichen Pfadfindern habe ich in der Zeitung „junge Welt“ unter der Überschrift „Gut Pfad“ im März 2021 berichtet.

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„Wir lebten in einer Welt voller Arschlöcher und Dummköpfe, das war der allgemeine Konsens, und wir, wir Pardon-Redakteure, waren natürlich die Durchblicker, die den anderen sagten, in was für einer Dreckswelt wir lebten. Das hat uns gut gefallen!“

(Wilhelm Genazino)

Ich habe mir angewöhnt, jeden Morgen nach dem Frühstück ein oder zwei Stunden zu schreiben. Ich setzte mich einfach an den Schreibtisch und kann mich in der Regel darauf verlassen, dass mir relativ bald etwas einfällt. Oft liegen vom Tortag noch Zettel mit Stichworten auf dem Schreibtisch, die ich nun erst mal abarbeite. Was mir nach meinem vormittäglichen Schreiben noch in den Sinn kommt, landet erst mal auf solchen Zetteln. Das tägliche Schreiben ist mir ein echtes Anliegen und Bedürfnis. Und es ist, wenn man so will, mein Lebensinhalt, meine Lebenstätigkeit. Schriebe ich nicht, würde ich untergehen. Ich weiß nicht, ob ich das schon einmal erzählt habe. Meine täglichen Schreibübungen haben aber auch noch ein andere Quelle, auf deren Existenz und Wirksamkeit ich erst spät aufmerksam geworden bin. Irgendwann, als ich in der Mittelstufe war und meine schulischen Leistungen sehr zu wünschen übrig ließen, mischte sich mein Vater in mein Lernprogramm ein. Bis dahin hatte er von meinen schulischen Leistungen kaum Notiz genommen. Erst als ein „blauer Brief“ ins Haus geflattert war, weckte das sein Interesse und seinen Argwohn. Ich galt als „faul“ und man musste mir „die Hammelbeine langziehen“. Vor allem meine mittelmäßigen bis schlechten Leistungen im Fach Deutsch fand er inakzeptabel. Er dekretierte, dass ich ab sofort täglich einen kleinen Aufsatz von einer Seite schreiben und bei ihm abliefern sollte. Ich hatte ihn ihm vorzulegen, wenn er von der Arbeit zurückkam. Im Laufe des Abend las er meinen Text und korrigierte ihn, wobei er auf das Schriftbild, die Rechtschreibung und den Inhalt gleichermaßen Wert legte. Wiederholungen wurden genauso moniert wie der Gebrauch von Füll- oder Allerweltsworten wie „machen“ oder „tun“. „Gib dir mehr Mühe, Junge“, ermahnte er mich regelmäßig, „das kann man auch anders und genauer ausdrücken.“ Ich empfand diese Pflicht zunächst nur als lästig und unangenehm, eine weitere erzieherische Schikane. Worüber sollte ich schreiben? Woher sollte ich in meinem ereignislosen Leben die Themen nehmen? Ich vermute, dass diese Übung meinen Blick für das Alltägliche, Nebensächliche und scheinbar Unbedeutende entwickelt und geschärft hat. Ich bin später durch die Entdeckung der Romane von Wilhelm Genazino darauf zurückgekommen. Die liebevolle Präzision, mit der er beschrieb, wie eine Taube an einem zu Boden gefallenen Stück einer Brezel herumpickt oder eine winzige Spinne sich aus deiner Zuckerdose zu befreien versucht, beeindruckte mich sehr. Alles, was ich seither schreibe und „Ethnologie des Inlands“ nenne, ist bei Lichte betrachtet nichts als „angewandter Genazinismus“. Nachdem mir meine Freundin Birgit die Frankfurter Adresse von Wilhelm Genazino gegeben hatte, schrieb ich ihm und lud ihn zu einer Lesung ins Gefängnis ein. Er leistete dieser Einladung prompt und gern Folge und kam auch in den folgenden Jahren noch ein Mal vorbei. Ich habe nach seinem Tod in der Wochenzeitung „der Freitag“ an ihn und seine Auftritte im Butzbacher Gefängnis erinnert. Der Text heißt „Nur aus Zufall draußen“ und ist am 9. Februar 2019 erschienen. Ich vermisse seine in schöner Regelmäßigkeit erscheinenden Bücher sehr, und tröste mich über den Verlust damit hinweg, dass ich ab und zu einen älteren Roman von ihm noch einmal lese. Meine Lieblingsromane von ihm sind: „Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz“ aus dem Jahr 1989 und „Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman“ aus dem Jahr 2003.

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Heute wird Uwe Timm 85 Jahre alt. Mein herzlicher Glückwunsch geht nach München, verbunden mit der Hoffnung auf noch etliche tolle Bücher.

Von der Küche dringt Crossroads herüber, das eines meiner Lieblingsstücke von Eric Clapton aus der Periode mit Cream ist, die leider nur zwei Jahre existierten. Er wird heute 80 Jahre alt. Die drei Bandmitglieder von Cream galten als die besten auf und an ihren jeweiligen Instrumenten. Deswegen nannten sie sich Cream. Ich habe den begnadeten Trommler von Cream, Ginger Baker, viel später mal hier in Gießen in einer Vorstadtkneipe erlebt, wo er sich bei einem viertelstündigen Schlagzeug-Solo vollkommen verausgabte und zwischendurch viel Bier trank. Jack Bruce, der Bassist der Gruppe, und Ginger Baker sind beide bereits gestorben. Mein Musikgeschmack ist in dieser heroischen Zeit der Rockmusik geprägt worden, mit den meisten neueren Sachen kann ich nichts anfangen. Manches empfinde ich als Beleidigung meines Gehörs und musikalischen Geschmacks. Im Mai 2005 gab Cream in der Royal Albert Hall London noch einmal ein paar Konzerte, die anzusehen und zu hören sich unbedingt lohnt.

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„Das Gedächtnis ist eine Variable der Sehnsucht.“

(Botho Strauß)

Ich hatte in der letzten Folge davon gesprochen, dass ich mit U in der Phase unserer Verliebtheit eine wunderbare Zeit am Gardassee verbracht habe. Einzelne Bilder davon sind in meinen inneren Vorrat an Bildern eingegangen, auf den ich auf der Suche nach Spuren des Glücks zurückgreifen kann. Wann stellt sich bei uns ein Gefühl der Verliebtheit ein? Wenn das innere Wunschbild von „der idealen Frau“, das sich auf dem Weg von geheimnisvollen Prozessen in uns gebildet hat, plötzlich mit dem Bild einer real existierenden Frau übereinstimmt. Um es gleich vorweg zu sagen: Es ist bei mir nicht die Mutter, nach deren Bild sich das Bild der „idealen Frau“ geformt hat. Als ich U die ersten Male in der Stadt begegnete, war ich wie vom Blitz getroffen und wusste sofort: Das ist sie! Ich ging ihr nach und hoffte auf eine gute Gelegenheit, sie ansprechen zu können. Am Ostersonntag 1989 sah ich vom Balkon aus, wie sie unten auf der Straße vorüberging. Ich zog mir schnell etwas über, stürzte die Treppe hinunter und lief ihr nach. In Höhe des Uni-Hauptgebäudes holte ich sie ein und sagte zur Eröffnung einen Satz, den ich mir unterwegs zurecht gelegt hatte. Ich durfte sie bis zu ihrer Haustür begleiten. Bis ich sie wieder sah, verging eine ganze Weile. Ich begegnete ihr vorn an der Ampel und lud sie auf einen Kaffee ein. Wir unterhielten uns lange über das Thema ihrer germanistischen Magisterarbeit, die sie gerade schrieb: „Die Figur der Tänzerin in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts“. Im Spätsommer fuhren wir dann in meinem alten Renault nach Italien. Ich erinnere, dass sie aus dem Garten ihres Elternhauses eine Tüte voll reifer Pfirsiche mitgebracht hatte, die wir unterwegs aßen. Der Saft der herrlich süßen Früchte tropfe uns vom Kinn. Wir durften im Haus von Freunden wohnen, das inmitten von Weinbergen oberhalb des Gardasees lag. Wir haben mit Selbstauslöser ein Foto von uns gemacht, das uns auf einer Treppenstufe vor dem Haus sitzend zeigt. U hat ihre langen Haare zu einem Zopf geflochten, der seitlich über ihre linke Schulter hängt. Sie ist wunderschön. Alles an ihr entsprach meinem Wunschbild. Es war eine unvergessliche Zeit des Glücks, die wir dort verlebten. Morgens stiegen wir zum See hinunter und gingen am Strand von Bogliaco schwimmen. U trug einen roten Badeanzug und sprang mit ungeheurer Eleganz von der Mole aus ins Wasser. Ihr Körper beschrieb eine vollkommene Flugbahn, eine Weile schien sie frei zu schweben, bevor sie ins Wasser eintauchte und weit hinaus schwamm. Ich saß etwas weiter am Strand und betrachtete andächtig ihre von der Sonne umstrahlte Silhouette. Ihre Schönheit verschlug mir den Atem und ich konnte mein Glück kaum fassen. Nach dem Bad raffte sie ihre Haarpracht zusammen und wrang sie aus. Dann schüttelte sie mit vorgebeugtem Oberkörper ihre Haare. Später setzten wir uns bei Valentino ins Café und bestellten eine Karaffe Weißwein. Manchmal reichte Valentino einen kleinen Teller mit frittierten Sardellen dazu, die er oder einer seiner Söhne am Vormittag gefischt hatten. Dann traten wir fröhlich und beschwingt den Heimweg an. Verschwitzt langten wir oben an, und U duschte sich unter dem Gartenschlauch den Schweiß ab. Das Bild ihres vollendeten Körpers unter den Olivenbäumen des Gartens werde ich hoffentlich nie vergessen. Abends kochten wir und aßen auf der Terrasse, von der aus man einen wundervollen Blick auf den See und das gegenüberliegende Ufer hatte. Bei Sonnenuntegang wurde der Monte Baldo in unglaubliche Farben getaucht. Wenn dieses Spektakel vorbei war, wurde es Zeit ins Bett zu gehen, denn es gab in Pusere kein elektrisches Licht. Auch wenn das ganz große Glück längst verflogen ist, werden mir – und hoffentlich auch ihr – diese Augenblicke des Glücks immer bleiben. Übrigens: Obwohl auch U älter geworden ist, ist die Schönheit doch geblieben. Wenn ich ihrer ansichtig werde, verschlägt es mir auch heute noch manchmal den Atem und die Sprache.

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„Fundamentalismus, Nationalismus und Rechtspopulismus sind allesamt beherrscht von einem Gespenst, von einer gemeinsamen Obsession: der Idee der Reinheit der Gesellschaft. Dahinter steht die Idee von einer guten Gemeinschaft, die von ihren negativen Teilen gereinigt ist. Von jenen Elementen, von denen man annimmt, dass sie die gute Gemeinschaft korrumpieren. Die Vorstellung von einem homogenen sozialen Körper, von einer ‚guten Gemeinschaft‘, ist eine Wahnvorstellung, wie sie antidemokratischer nicht sein kann.“

(Bernard Henry Lévy)

Meine derzeitige Lektüre: Philippe Grimbert: Ein Geheimnis ( erschienen im Jahr 2007 als Suhrkamp Taschenbuch). Der aus der Lacan-Schule stammende französische Psychoanalytiker erzählt vom Überleben seiner jüdischen Familie im von den Deutschen besetzten Paris und enthüllt ein lang gehütetes Familiengeheimnis. Die Aufdeckung dieses Geheimnisses, das Schatten auf sein und seiner Familie Leben warf, war für ihn das Motiv, sich zum Psychoanalytiker ausbilden zu lassen, um dann auch anderen zu ermöglichen, sich als Subjekte und Autoren der eigenen Lebensgeschichte zu erleben. Einen Zugang zur eigenen Geschichte zu finden, ist dafür unabdingbare Voraussetzung. Interessant fand ich zu erfahren, dass die AfD-Parole: „Holen wir uns das Land zurück“, schon unterm Faschismus im Schwange war. Wer hat es okkupiert? Natürlich „die Juden“. Das scheint mir bis heute des Pudels Kern. Ein beeindruckendes und gut übersetztes Buch, dessen Lektüre ich uneingeschränkt empfehlen kann.

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In einem Beitrag der „Kulturzeit“ vom 1. April 2025 über AfD-Hochburgen im Westen Deutschlands geht der ehemalige Pfarrer über das Gelände seiner ehemaligen Kirche in Gelsenkirchen. Die Kirche ist seit Jahren geschlossen und alles zerfällt. Die Kirche ist bereits eine Ruine, alles rundherum verslumt, Laub türmt sich in den Eingängen. Auf den Schaukasten, in dem früher Ankündigungen kirchlicher Veranstaltungen ausgehängt wurden, hat jemand die Worte „Fuck“ und „Scheiße“ gesprüht. Der Pfarrer lässt seinen Arm über die trostlose Umgebung schweben und sagt: „So isset!“ Ein alter Mann erklärt die Erfolge der AfD mit den Worten: „Es ist einfach scheiße hier. Es geht doch alles kaputt.“ Der Kulturzeit-Beitrag zeigt eindringlich, dass die Erfolge der AfD sich nicht allein mit wirtschaftlichem Niedergang, Verelendung, Arbeitslosigkeit und steigender Kriminalität erklären lassen. Die AfD ist auch in Quartieren stark, wo all das nicht überdurchschnittlich anzutreffen ist. Es ist vor allem das, was ich seit vielen Jahren das „Meister-Anton-Gefühl“ nenne. Am Ende von Hebbels Stück „Maria Magdalena“ bleibt Meister Anton sinnend stehen, wie es in der Regieanweisung heißt, und ruft aus: „Ich verstehe die Welt nicht mehr!“ Die Menschen empfinden angesichts des Veränderungstempos Schwindelgefühle. Sie leiden unter sozialen Gleichgewichtsstörungen, haben das Gefühl, nicht mehr mitzukommen und die Orientierung einzubüßen. Alle Versuche der Versprachlichung sind lediglich Chiffren für das schwer artikulierbare Grundgefühl: Die Angst, aus der Welt zu fallen und überrollt zu werden. Alles hat sein menschliches Maß verloren. Die Zeit und das Veränderungstempo rasen, während die meisten Menschen eher langsam geblieben sind.

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Auf die Frage, wie amerikanische Intellektuelle und Künstler auf den Abbau von Demokratie und Rechtsstaat in den USA reagierten, antwortete Siri Hustvedt gestern Abend in der Sendung „Kulturzeit“: „Was wir benötigen ist disziplinierte Wut!“ – im Unterschied zu blinder Wut oder gar Hass. Im Übrigen vermisse nicht nur sie ihren vor einem Jahr gestorbenen Mann Paul Auster, seine Stimme und sein Engagement fehlten auch beim Widerstand gegen Trump und seine Kettensägen-Politik, der sich nun endlich formiere.

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Gestern wurde auf einer Pressekonferenz in Berlin von Innenministerin Faeser die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2024 vorgestellt, aus der hervorgeht, dass die Zahl der erfassten Gewalttaten erneut gestiegen ist – um 1,5 Prozent auf 217.277 Fälle, ein neuer Höchststand seit 2010. Besorgniserregend sei vor allem der Anstieg der Gewalttaten mit Kindern und Jugendlichen als Tatverdächtigen. Bei Kindern sei ein Anstieg von 11,3 Prozent zu verzeichnen, bei Jugendlichen von 3,8 Prozent. Als Erklärung wird auf die Entbehrungen und Einschränkungen verwiesen, von denen Kinder und Jugendliche während der Corona-Pandemie besonders betroffen gewesen seien. Ich halte diese Erklärung nicht für stichhaltig. Es sind die wachsenden sozialisatorischen Defizite, die sich unter anderem in der zunehmenden Gewalttätigkeit von Kindern und Jugendlichen ausdrücken. Es ist ein erstaunliches Phänomen, alle möglichen Fehlentwicklungen mit Hinweis auf die Pandemie erklären zu wollen und sich vor den weitaus schmerzhafteren Erklärungen zu drücken. Die Gesellschaft ist fein raus, wenn alle möglichen Fehlentwicklungen mit einem scheinbaren Naturphänomen erklärt werden können. Aus diesem Grund ist „Corona“ bei der Suche nach den Ursachen so beliebt. Es scheinen mir die wachsenden Verzahnungsmängel zwischen Individuen und Gesellschaft zu sein, die für das Anwachsen von Anomie und anderen Dysfunktionen verantwortlich sind. Ich beschäftige mich seit über dreißig Jahren mit diesen Fragen, spätestens seit dem mit Reimer Gronemeyer zusammen verfassten Buch “Jugend und Gewalt“, das 1993 bei Rowohlt erschienen ist. Wenn viele junge Männer einwandern, darf man sich über einen Anstieg der Gewalt nicht wundern. Gewalt ist grundsätzlich eher männlich, und die männlichen jungen Zuwanderer vereinigen viele kriminogene Faktoren auf sich. Es ist beinahe verwunderlich, dass die Anzahl nichtdeutscher Tatverdächtiger in der Rubrik Gewaltkriminalität lediglich um 7,5 Prozent gestiegen ist. Vor allem ist es eine sämtliche Lebensbereiche umfassende Bindungslosigkeit, die „abweichendes Verhalten“ begünstigt. Eine Gesellschaft, die im Namen von Flexibilität Bindungsfähigkeit systematisch zerstört oder gar nicht erst zustande kommen lässt, darf sich nicht wundern und beklagen, wenn immer mehr Menschen mit nichts mehr „einen Vertrag haben“. An dieser Stelle ist Sentimentalität unangebracht und spielt nur den Rechten und Fremdenfeinden in die Hände.

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„Die Freunde, die sich hier trafen und umarmten, sind fort, jeder zu seinen eigenen Fehlern.“

(W. H. Auden)

Heute war ich „vor Tau und Tag“ im Botanischen Garten und habe mich in der schon angenehm wärmenden Frühlingssonne auf eine Bank gesetzt. Ich dachte über eine Lesung nach, die ich gestern Abend besucht habe. Ein Bekannter, mit dem ich eine lange und wechselvolle Geschichte teile, las aus einem Roman, an dem er seit Jahren arbeitet. Er lebt noch eremitischer als ich in einem Dorf vor den Toren der Stadt. Auch ihm sind die Freundschaften und sozialen Kontakte im Laufe der Jahre weggebrochen, auch er hat mit der Einsamkeit zu kämpfen. Seinem Schreiben merkt man es an, dass ihm Berührung fehlt. Über weite Strecken fand ich das, was er vortrug, unverständlich, in einer Art Privatsprache verfasst. Das Publikum bestand aus circa zwanzig alten Freunden und Freundinnen, die ihm sehr zugetan waren, und artig lauschten und applaudierten. Christoph, auch er ein Freund aus alten Tagen, hatte Ulrich hinter dem Ofen hervorgelockt und moderierte die Veranstaltung. Er achtete darauf, dass Ulrich sich nicht über Gebühr verfranste und irgendwann ein Ende fand. Als ich heute auf der Bank saß und über die Veranstaltung nachdachte, kam ich zu dem Schluss, dass das, was Ulrich produziert, „Kunst“ ist, und Kunst ist mitunter hermetisch und nicht kommunizierbar. Man hört solche Texte, wie man Musik hört, die man im landläufigen Sinn ja auch nicht „versteht“. Ein anderer alter Freund macht wilden Jazz, den ich natürlich auch nicht „verstehe“. Herbert Achternbusch hat das Problem der „Verstehbarkeit“ auf seine unnachahmliche Weise einmal so formuliert: „Filme, die von aller Welt verstanden werden, bringen Geld. Ich möchte aber Filme, die niemand versteht. Früher hat man einen Bachlauf nicht verstanden, heute wird er begradigt, das versteht ein jeder. Ein Bach, der so schlängelt. Karl Valentin: Das machen sie gern, die Bäch. Ich kann mich eines schlängelnden Baches nicht bedienen zur Begradigung.“ Und er schließt die Frage an: Warum können die „Normalos“ seine Filme nicht verstehen? Weil seine „schlängelnden Filme nicht in ihre begradigten, in ihre sanierten Gehirne passen, sie ecken in ihren gestraßten Gehirnen an, da kriegen sie Kopfschmerzen …“

Ich ärgerte mich, dass mir das nicht schon gestern eingefallen ist und ich es deswegen nicht sagen konnte. Auch ich habe mich ja in meinem Schreiben ziemlich weit vom links-intellektuellen Rotwelsch, das wir uns Anfang der 1970er Jahre angewöhnt haben, entfernt und bewege mich inzwischen mit meinem essayistischen Schreiben irgendwo im Gelände zwischen Literatur und Theorie. Aber meine Texte verbleiben doch auf dem Terrain des Verständlichen, wenn auch sicher nicht jeder sie versteht. Das liegt zum großen Teil an den Inhalten, die nicht jedermanns und jederfraus Sache sind. Ich hänge doch an der Idee, dass Sprache der Verständigung dient und möchte sie nicht aufgeben, auch wenn ich weiß, dass uns der Adressat unserer Reden weitgehend abhanden gekommen ist. Vom Wortstamm her bedeutet Kommunikation: eine gemeinsame Mauer, eine Murus communis, haben. Eine gemeinsame Mauer schließt eine Gemeinschaft ein und andere aus. Wer nicht sicht- und hörbar meines- oder unsergleichen ist, wer nicht den richtigen Stallgeruch besitzt, wird exkommuniziert, wird außerhalb der Mauer positioniert. Das bezeichnet ziemlich gut die Dialektik der Kommunikation: Sie birgt die Möglichkeit der Verständigung und zugleich die Gefahren des Ausschlusses. Die Textpassage, die ich heute geschrieben habe, wird auch etliche Menschen ausschließen und ihnen unverständlich sein. Such is life. Gestern Abend spürte ich auch, was ich seit einiger Zeit vermisse: Den Gedankenaustausch und das Reden mit anderen. Die Luft um mich herum wird dünner und dünner

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Dieser Tag las, einem Sprung meiner Hirnantilope folgend, George Orwells Text über einen Besuch in einem englischen Kohlebergwerk: The Road to Wigan Pier. Es ist eine ergreifende und eindringliche Schilderung der Schinderei, der die Bergleute tagtäglich ausgesetzt sind, oder hierzulande inzwischen: waren. Orwell erinnert daran, dass diese Schwerarbeit uns am Leben erhält und wir gern über ihr Vorhandensein hinwegsehen. Es wurde Orwell durch seine Einfahrt ins Bergwerk klar, dass „nur weil Kumpel, sich die Eingeweide aus dem Leib schwitzen, geistig höher stehende Menschen auch geistig höher stehen können. … wir alle verdanken in Wirklichkeit unseren verhältnismäßig anständigen Lebensstandard den armen Schweinen unter Tage, die schwarz bis an die Augen, die Kehlen voller Kohlenstaub, ihre Schaufeln mit Armen aus Stahl und mit Hilfe der Bauchmuskeln in die Kohlenhaufen stoßen.“ Das gilt heute immer noch, wenn wir zum Beispiel an die Kinder denken, die im Kongo die seltenen Erden aus dem Boden reißen, ohne die die Smartphones nicht funktionieren würden. Es will mir nicht in den Kopf, dass ansonsten vernünftige und kritische Leute ihre Gespräche über Freiheit, Frieden und Menschenwürde auf Geräten führen, die unter unmenschlichen Bedingungen und zu katastrophalen Löhnen zusammengebaut wurden. Jarett Kobek, von dem der wunderbare Roman „Ich hasse dieses Internet“ stammt, sagte in einem Interview: „Die Leute, die sich hier in Rechtschaffenheit hüllen, beteiligen sich an einem weit größeren und weit schädlicheren Übel als die Menschen, die sie anprangern.“ Die Geräte, mit deren Hilfe kommuniziert wird, werden größtenteils in China von Sklaven zusammengebaut und die Kommunikation wird von Plattformen vermittelt, die systematisch Daten sammeln und zu Algorithmen verarbeiten, die dem Ausspionieren und der Manipulation der Benutzer dienen.

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Im Botanischen Garten blühen die Buschwindröschen. Keck recken sie ihre Blütenkelche aus dem Gras – der Sonne entgegen. Weiter hinten im Garten sehe ich eine Amsel, die aus einem Pflanzentrog Wasser trinkt. Sie taucht ihren Schnabel ins Wasser, nimmt Wasser auf und legt dann ihren Kopf in den Nacken, um die Flüssigkeit die Kehle hinunterrinnen zu lassen. Zwischendurch setzt sie sich auf den Rand des Trogs und denkt nach. Jedenfalls nehme ich das an. Ich sehe ihr eine Weile zu, bis sie irgendwann genug von mir oder dem Wasser hat und davon fliegt. Am anderen Ende des Gartens strotzt eine Magnolie vor Blüten. Im Geäst des Baums summt es. Bienen sind unterwegs und saugen den Nektar aus den Blüten. Es ist Frühling.

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